Gleichsetzung von Islam und Islamismus führt zu Stigmatisierung und rechter Hetze

Martina Renner
NeuRechtsReden

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,

Jede Form des religiösen Fundamentalismus ist eine Gefahr für die Demokratie und die demokratische Gesellschaft, so auch der gewaltbefürwortende oder gewaltbereite Islamismus.

Er propagiert Ungleichheit, ist autoritär und frauenfeindlich. Diese Bedrohung trifft auch Migrantinnen und Migranten, auch Muslime. Denken Sie an die Mordaufrufe von Islamisten gegen kurdische Politiker und Politikerinnen in diesem Land oder an die Geflohenen aus Syrien, die vor den Gräueln des IS zu uns kamen und Schutz suchten.

Eine Gefahr für die Demokratie erwächst aber auch aus der Gleichsetzung von Islam und Islamismus. Diese Gleichsetzung führt zu Stigmatisierung und rechter Hetze, auch — wir haben es erlebt — aus dem Bundestag heraus.

Uns Demokratinnen und Demokraten kommt daher eine besondere, ich würde sagen: doppelte Verantwortung zu, wenn wir über dieses Thema reden. Was ist zu tun? Zum einen muss die Kooperation der Bundesrepublik mit Organisationen, die einen religiös begründeten Fanatismus propagieren, auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls beendet werden. Ich finde, auch die Finanzierung dieser’ Organisationen, insbesondere aus dem Ausland, muss überprüft, offengelegt und gegebenenfalls gestoppt werden. Dort, wo notwendig, ist es Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten.

(Zwischenruf Axel Müller [CDU/CSU]: Das wollen wir doch!)

Nein, Sie wollen weitaus mehr. Sie wollen gleich noch den Geheimdienst ins Geschäft bringen, Sie wollen einen Generalverdacht formulieren. Ich meine etwas anderes. Ich habe von den Strafverfolgungsbehörden gesprochen. Das ist ein Unterschied; den kennen Sie sicherlich. Es reicht aber nicht — und da will ich auf eine zweite Schwäche in Ihrem Antrag hinweisen -, zu sagen, man solle darüber vielleicht auch mal mit der Türkei und Katar reden. Ich meine, das so zu formulieren, ist doch sehr doppelbödig, wenn man nicht gleichzeitig darüber reden will, dass wir in diese Länder Waffen liefern und diese diplomatisch unterstützen.

Ich sage, wer wie Sie das Thema „islamistischer Fanatismus“ aufrufen will, der muss endlich auch darüber reden, wie Türkei und Katar offenkundig 1S-Kämpfer unterstützen. Ich habe vorhin von unserer doppelten Verantwortung gesprochen. Wir müssen etwas Zweites tun, liebe Kollegen und Kolleginnen. Wir müssen darüber diskutieren, was wir hier unternehmen müssen, um religiösem Fanatismus eine Alternative entgegenzusetzen. Einige Bundesländer haben an ihren Universitäten Lehrstühle eingerichtet, die eine theologische Ausbildung islamischer Religionslehrer und Imame anbieten. Wir brauchen eine bessere finanzielle staatliche Unterstützung progressiver Gemeinden und Organisationen, und es braucht Angebote in der Sozialarbeit für eine verstetigte und wirksame Islamismusprävention.

Vielen Dank.