Antifaschismus

Magdeburg: Blockierte Aufklärung

Martina Renner

Das Widerlichste, was auf terroristische Anschläge folgt, ist die Maschinerie rechter Medien und extrem rechter Akteur*innen, die – ohne inne zu halten – sofort Minderheiten und die Demokratie unter Feuer nehmen. Seit Monaten lechzt die AfD quasi nach einem islamistischen Anschlag. Aus dem Tod von Menschen zieht sie ihr Lebenselixier. Panik und Angst zahlen, so das Kalkül der AfD, direkt mit Stimmen in die Wahlurne ein.

Das Widerlichste, was auf terroristische Anschläge folgt, ist die Maschinerie rechter Medien und extrem rechter Akteur*innen, die – ohne inne zu halten – sofort Minderheiten und die Demokratie unter Feuer nehmen. Seit Monaten lechzt die AfD quasi nach einem islamistischen Anschlag. Aus dem Tod von Menschen zieht sie ihr Lebenselixier. Panik und Angst zahlen, so das Kalkül der AfD, direkt mit Stimmen in die Wahlurne ein. Die Unverfrorenheit, mit der sich die extrem rechte Partei am Ort des Anschlages inszenierte, selbst nachdem bekannt wurde, dass der Täter ein Fan der AfD war, ist nicht neu. Faschist*innen zeigen Routine darin, sich als faktische Stichwortgeber*innen und Terrorunterstützer*innen den Nimbus des Unbeteiligten oder gar des Opfers zu geben. Gleichzeitig werden die sozialen Medien mit Falschinformationen geflutet, denen zufolge der bekennende Islamhasser in Wirklichkeit doch Islamist gewesen sei.

Wer meint, solch offenkundige Lügen könnten nicht verfangen, erinnere sich, wie hartnäckig sich die Legende von Oktoberfestattentat bis NSU hält, Geheimdienste respektive der Staat würden hinter den Morden stecken.

Das offene Benennen der Bezüge des Attentäters zu Personen und Ideen der extremen Rechten fällt aber auch Medien, Politik und Behörden schwer. Gerade letztere haben es seit mindestens 15 Jahren versäumt, die Kategorien von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung aus dem Baukasten des Staatsschutzes, der Links, Rechts, Ausländer*innen und Islamismus kennt, zu lösen. Terrorismus in Krisenzeiten wird immer noch nicht als internationaler Resonanzraum verstanden, in dem die Idee zirkuliert, sinistre Kräfte hätten sich des Staates bemächtigt, um in einem Komplott den Untergang des Landes sowie die Auslöschung der Bevölkerung vorzubereiten. In dieser Szenerie bewegen sich Tausende in diesem Land. Jede Sekunde werden sie in ihrem apokalyptischen Denken gestärkt durch Erzählungen, Medien und Mobilisierungen, die Unglück und Untergang prophezeien und dagegen das Fanal oder den Umsturz setzen.

Vollendete Anschläge mit Sturmgewehr, Sprengstoff oder Fahrzeugen dienen weltweit als Blaupause. Ein Ende des Zirkels von Terroranschlägen ist nicht in Sicht.

Der Begriffsapparat der Behörden wird dieser Bedrohung nicht gerecht. Der Attentäter zeigte alle Elemente dieser Ideologie. Er glaubte, die Bundesrepublik und ihre Institutionen würden systematisch weibliche Geflohene aus Saudi-Arabien misshandeln und die Islamisierung des Landes vorantreiben. Der in den USA ansässigen rechten islamfeindlichen „RAIR Foundation“ sagte er, es sei keine Verschwörung, sondern eine Wahrheit, dass Regierungen Einwanderung als Werkzeug der Destabilisierung nutzten. Man plane, die Gesellschaft von innen heraus zu zerstören. Alles, was die Sicherheitsbehörden für diese Ideologie als Begriffe kennen, ist untauglich. In den polizeilichen Statistiken hat man gar keine Worte, sondern packt diese in das Phänomenfeld „sonstige Zuordnung“ und der Verfassungsschutz benutzt „Delegitimierung des Staates“. Eine Wortschöpfung, die glatt am Thema vorbeigeht und die Gefahren herunterspielt. Hier geht es nicht um Leute, die den Staat für nicht legitim halten, sondern die ihn, seine Institutionen, Politik und Medien in einem Akt imaginierter Notwehr beseitigen wollen. Die Vorgeschichte des Täters zeigt, dass er exakt wie andere Verschwörungsgläubige Vertreter*innen von Institutionen bedrohte. Er redete immer wieder von Taten, die zum Beispiel selbst im Ausland zu Aufmerksamkeit führen würden, und drohte Richter*innen und Mitarbeiter*innen in Behörden mit Gewalt.

Und er wurde konkret. Er sprach davon, sich eine Pistole zu beschaffen oder einen Anschlag ähnlich dem während des Boston-Marathon auszuführen. Daneben gab es Hinweise aus seinem Herkunftsland, Anzeigen von Betroffenen, polizeiliche Vorgänge noch und nöcher.

Und alles, was der Bund zu bieten hat, war involviert: BKA, BAMF, BND, BfV und BPol. Das mechanistische Denken der Behörden, dass jemand, der einen islamistischen Anschlag als Vorbild nenne, Islamist sein muss, führte dazu, dass man es dem Land Sachsen-Anhalt überließ, Maßnahmen der Gefahrenabwehr einzuleiten und keine Terrorgefahr sah. Als hätte man noch nie etwas von Rechtsterroristen gehört, die mit dem Mujaheddin-Handbuch im Gepäck erwischt wurden oder von Islamisten, die von „Identitären“ Waffen bekamen. Was die Behörden nicht verstehen wollen, will auch die Öffentlichkeit nicht verstehen. Das schlimmste Wort ist „atypischer Terror“ – als gäbe es ein fixes Drehbuch. Als wäre ein Arzt mit Migrationsgeschichte als Terrorist so viel unvorstellbarer als ein Elitesoldat, der unter einer Legende als syrischer Flüchtling den Umsturz plant, als ein „Q-Anon“-Anhänger als Schamane verkleidet am Rednerpult im Capitol oder als Putschisten, die den Tag des Sturms auf das Parlament aus den Karten lesen wollten. Im vermeintlich Unvorstellbaren werden sowohl die Ernsthaftigkeit der Terrorvorbereitungen als auch die Parallelen im Ziel wie in der Motivation übersehen. Die Täter sehen den Staat und seine Repräsentant*innen, Politik und Behörden als verantwortlich für Unheil, Schaden und das nahe Ende. Damit einher geht die Vorstellung, bei dem eigenen Attentat zu sterben – durch den Mord an vielen Unschuldigen und die damit einhergehende Erschütterung der Gesellschaft die Selbsterlösung zu finden. Interessanterweise finden sich auch in aktuellen Rechtsterrorkomplexen immer wieder Hinweise darauf, dass die Beschuldigten bereit seien, zu sterben. Auch hier nähern sich Islamismus und extreme Rechte weiter an.

Konsequenzen zu fordern, wissenschaftliche Analysen, antifaschistische Recherchen stark zu machen, parlamentarische Aufklärung zu forcieren, ist keine Besserwisserei oder zielt darauf ab, Behörden vorzuführen. Es geht einzig und allein darum, Ideologien, Netzwerke, konkrete Terrorankündigungen und -planungen so zu erfassen, dass die Täter gestoppt werden können, Menschen geschützt werden und Gerechtigkeit gefunden wird, wo es um die juristische Aufarbeitung geht. Nennt man es nicht Terror, nennt man nicht die Bezüge zu extrem rechten Vorstellungen, entlastet man diejenigen, die alle Warnsignale missdeutet haben. Dann versagen Staat und Gesellschaft erneut.

(Dieser Text stammt aus der Ausgabe 212 des Antifa-Magazins der rechte rand Januar/Fenruar 2025)