Staatsräson vor Grundrechtsschutz
Bundesregierung will Zeugenaussage Snowdens verhindern
Der ehemalige Mitarbeiter des US-amerikanischen Geheimdienstes Edward Snowden soll weiterhin nicht vor dem NSA-Untersuchungsausschuss aussagen. Martina Renner über die Blockadehaltung und den Einfluss der Bundesregierung auf das parlamentarische Gremium.
„Jetzt ist die Katze aus dem Sack. Die Bundesregierung will eine Vernehmung des Whistleblowers Edward Snowden vor dem NSA-Untersuchungsausschuss verhindern“, erklärte die Obfrau der LINKEN, Martina Renner. Union und SPD hatten zuvor im Ausschuss einen Antrag gegen die Stimmen der Opposition verabschiedet, um die Abstimmung über den Snowden-Antrag bis zum 8. Mai zu vertagen. Argumentiert wurde damit, eine Befragung Snowdens in Berlin gefährde die guten Beziehungen zu den USA und Großbritannien. Bundeskanzlerin Angela Merkel fliegt demnächst auf Staatsbesuch zu Barack Obama. „Vermeintliches Staatswohl wird hier gegen Grundrechtsschutz und Informationsfreiheit ausgespielt“, so Renner. „Ein unglaublicher Vorgang.“
Noch unglaublicher wirken ihrer Ansicht nach die Versuche der Großen Koalition, offen und verdeckt Einfluss auf einzelne Abgeordnete zu nehmen. Wenige Tage vor der Ausschusssitzung war der bisherige Vorsitzende Clemens Binninger (CDU) überraschend zurückgetreten. Zudem wurde mit den Stimmen der Koalition „Verfahrenstrickserei“ betrieben, um die Zeugenbenennung Eduard Snowdens zu verhindern und Entscheidungen des Untersuchungsausschusses auf die Ebene der Bundesregierung delegiert.
„Sollte sich die Mehrheit im Gremium die Sichtweise der Bundesregierung zu Eigen machen, dann droht die Gestaltungskompetenz, Unabhängigkeit, Verfassungsloyalität und Wahrheitspflicht der Abgeordneten zugunsten der vermeintlichen Staatsräson aufgegeben zu werden“, sagte Renner. „Zu dem unwürdigen Schauspiel um Edward Snowden gehören nämlich zwei: die Bundesregierung, die diktiert, und Abgeordnete, die sich dirigieren lassen.“
Dabei stehe viel auf dem Spiel: das im Grundgesetz und in der Europäischen Grundrechte-Charta verbriefte Recht jeder Bürgerin und jedes Bürgers, frei von Überwachung zu leben, der Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses und die Gewährleistung digitaler Grundrechte. Es sei die Pflicht des Staates, die Grundrechtsverletzungen durch die Massenüberwachung durch die NSA und den britischen Geheimdienst GCHQ unter möglicher Beteiligung deutscher Behörden aufzuklären, zu ahnden und abzustellen. „Eduard Snowden will mit seinen Informationen dabei helfen. Sein Angebot einer Aussage darf von der Bundesregierung nicht ausgeschlagen werden“, sagte die Obfrau der LINKEN im Ausschuss.
Renner kündigte an, eine Ladung von Snowden im Untersuchungsausschuss weiterhin zu forcieren und den Blockadeversuchen zukünftig auch mit juristischen Schritten zu begegnen. „Wir wollen Eduard Snowden in Berlin hören und willkommen heißen - geschützt und frei. Was wir nicht wollen, ist eine Aussage per Videokonferenz und unter den Bedingungen seines Gastlandes, das selbst massiv Freiheits- und Menschenrechte verletzt“, erklärte die Bundestagsabgeordnete.