Transparenz und Öffentlichkeit bei der Aufklärung des NSA-Skandals
Martina Renner zur Einsetzung des NSA-Untersuchungsausschusses. Die Abgeordnete fordert in ihrer Rede im Bundestag Transparenz und Öffentlichkeit bei der Aufklärung des NSA-Skandals.
Martina Renner spricht sich anlässlich der Einsetzung des NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag für Transparenz und Öffentlichkeit bei der Aufklärung des Geheimdienstskandals aus:
„Es ist fast ein Jahr her, dass wir durch die mutigen Enthüllungen von Edward Snowden erfahren haben, wie umfassend wir alle durch US-amerikanische Geheimdienste und ihre Partner in Deutschland überwacht werden. Diese Überwachung betrifft uns alle – jeden Bürger und jede Bürgerin, jeden einzelnen hier im Saal – keineswegs nur Kanzlerin oder Innenminister. Aber lange Zeit wollten Teile der Großen Koalition den Umfang und den Skandal dieser Überwachung verharmlosen oder für beendet erklären.
Jetzt haben wir durch den Untersuchungsausschuss eine einmalige Chance zur Aufarbeitung. Und es ist ein gutes Zeichen, dass fraktionsübergreifend Grundrechtsverletzungen mit gemeinsamer parlamentarischer Aufklärung begegnet wird.
Wir wollen die Arbeit US-amerikanischer und britischer Dienste sowie die ihrer engsten Partner untersuchen. Wir sollten uns nicht von Beteuerungen beruhigen lassen, dass ja nur so genannte Meta-Daten, also Verbindungsdaten gespeichert würden – und keine Gesprächsinhalte. Denn wir wissen, dass gerade anhand der Verbindungsdaten exakte Profile der Nutzer angelegt werden können. Jeder hier kann sich das einfach vorstellen: Wie viel es über uns aussagt, wen wir frühmorgens und spätnachts anrufen, welche Internetseite wir besuchen und wem wir eine Email schreiben.
Und wir fragen auch: Wie kooperieren die ausländischen Geheimdienste dabei mit den deutschen Partnerdiensten. Auch wenn die deutschen Spitzelzentralen nicht über dieselben technischen Möglichkeiten verfügen: Wir müssen das BfV, den BND und MAD unter die Lupe nehmen: denn sie arbeiten aller Wahrscheinlichkeit nach derselben Religion der „Totalüberwachung“. Für einen Geheimdienst heißt es beim Sammeln von Informationen hüben wie drüben: „Mehr ist immer besser“. Diese Geheimdienst-Philosophie muss nicht nur untersucht, sondern beendet werden.
Wir nehmen den BND und das BfV dabei in den Blick weil wir als LINKE fest davon ausgehen, dass der große und der kleine Bruder Hand in Hand zusammenarbeiten. Und diese Zusammenarbeit funktioniert z.B. auch durch den Ringtausch von Daten. Wir werden untersuchen, ob beispielsweise die NSA oder der britische Geheimdienst dem BND dort hilft, wo dieser nicht zugreifen dürfte. Freundschaftsdienste sozusagen! Die jetzt aufgeflogene Praxis ist kein einseitiges Datenabgreifen und keine Einbahnstraße. Es handelt sich um ein Karussell, das auf unterschiedlichem Niveau im Kern aber alle Dienste gemeinsam betreiben. Und wir glauben, dass die Bundesregierungen aller Farbkombinationen von dieser Praxis natürlich seit Jahren wissen – und profitiert haben.
Dabei müssen wir uns noch einmal vor Augen führen, wann die Zusammenarbeit zwischen NSA und den deutschen Stellen intensiviert wurde: Nämlich weit vor dem 11. September 2001. Basierend auf einer Vereinbarung zur engeren Zusammenarbeit zwischen den US-Geheimdiensten und den bundesdeutschen Nachrichtendiensten durch den damaligen Außenminister Frank Walter Steinmeier. Und wir werden Herrn Steinmeier im Ausschuss danach fragen, was er da im Einzelnen abgesprochen hat und warum er diese Zusammenarbeit forciert hat. Der Untersuchungszeitraum beginnt daher aus guten Gründen mit dem ganzen Jahr 2001 und endet erst heute. Zudem werden wir dafür sorgen, dass weitere Behörden und Institutionen des Bundes einbezogen werden: Nachrichtendienste und das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und natürlich die Bundesregierung selbst.
Es geht um die Zukunft unserer Grundrechte in einer digitalisierten Gesellschaft. Es geht um die Frage, ob die Daten und die Datenspuren, schutzlos sind. Geheimdiensten und Privaten Unternehmen zur Kontrolle, zur kommerziellen Nutzung, zur Überwachung und letztendlich auch zur Manipulation ausgeliefert bleiben - oder eben nicht.
Und deshalb sind für uns alleroberste Ziele des Untersuchungsausschusses Transparenz und Öffentlichkeit der Ausschuss-Arbeit. Wir werden mit allen unseren Möglichkeiten gegen absehbare Versuche angehen, aus einem öffentlich tagenden Ausschuss eine geheim tagende PKGr 2 zu machen. Die Durchdringung unsres digitalen Alltags durch Dienste, ihre Helfer und Auftraggeber ist nicht mit geheimen Methoden aufzuklären oder zu kontrollieren. Und wir wollen, dass derjenige, der uns allen die Augen geöffnet hat – Edward Snowden – vor dem Ausschuss aussagen kann in einer Form, die ihn nicht selbst gefährdet. Edward Snowden ist der Fachmann für jeden bisher veröffentlichten Satz. Wir alle wissen aber, dass dafür Voraussetzungen geschaffen werden müssen, die nicht einfach sind: Sicherheit, Auslieferungs- und Entführungsschutz. Es wäre ja nicht das erste Flugzeug, das von den USA zur Landung gezwungen wurde. Da ist auch die Bundesregierung ist gefragt.
Dass die abgehörten Institutionen selbst den Weg zur Totalüberwachung geebnet haben, davon müssen wir ausgehen. Die Bundes-Regierungen haben selbst aktiv die Massenerfassung von Daten vorangetrieben und gegen Widerstand einer kritischen Öffentlichkeit und der inner- und außerparlamentarischen Opposition durchgesetzt. Denken wir nur an den permanenten Austausch von Fluggastdaten zwischen der EU und den USA, der Bankbewegungsdaten im SWIFT-Verfahren und die vielen weiteren internationalen Abkommen, die diesen Datentransfer legalisiert haben. Nach dem Motto: alles, was wir für den US-amerikanischen Freund sammeln, davon profitiere wir auch selbst und das wollen wir auch selbst haben. Die Bürger haben ein Recht darauf zu erfahren, wie umfassend die Überwachung und Kontrolle derzeit ist. Damit sie selbst – und wir als Parlament – Maßnahmen ergreifen können, um die digitalen Grundrechte so zu schützen, wie es das Grundgesetz gebietet. Und weil unsere Demokratie durch ein System totaler Überwachung und Kontrolle in Gefahr ist.
Video der Rede