Aufklärung über Maßnahmen der Geheimdienste zum Breitscheidplatz-Anschlag gefordert

Martina Renner

Die Obfrau der Linksfraktion im Untersuchungsausschuss zum Breitscheidplatz-Anschlag fordert eine umfassende Aufklärung der Maßnahmen von Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten in Bezug auf den Attentäter und seine dschihadistischen Netzwerke - sowohl vor dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt als auch im Anschluss daran. Zudem dürfe der Ausschuss nicht für weitere Hetze gegen eine humanitäre Flüchtlingspolitik instrumentalisiert werden, so Martina Renner. „Uns geht es um den Schutz aller in Deutschland lebenden Menschen“, betont Renner in ihrer Rede im Bundestag.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen!

Kein Untersuchungsausschuss kann die zwölf Toten, die dem dschihadistischen Terroranschlag am Breitscheidplatz zum Opfer gefallen sind, wieder zum Leben erwecken. Kein Untersuchungsausschuss kann die Verletzten heilen, den Hinterbliebenen Trost spenden. Aber der von uns beantragte Untersuchungsausschuss muss die zentrale Frage beantworten, die sowohl die unmittelbar betroffenen Familien als auch die Öffentlichkeit stellen: Hätte dieser dschihadistische Terroranschlag verhindert werden können, wenn Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste im Vorfeld andere Maßnahmen ergriffen hätten?

Man kann es – und vielleicht muss man es auch – noch härter formulieren: Wurde der Anschlag unter Umständen deshalb nicht verhindert, weil sowohl Strafverfolgungsbehörden als auch Geheimdienste ein V‑Leute-System in der dschihadistischen Bewegung aufgebaut haben, ein System, das, wie schon bei der militanten Neonazibewegung, weniger ein effektives Frühwarnsystem darstellt, sondern allzu oft einen Brandstiftereffekt hat? Und Sie können mir glauben: Ich weiß, wovon ich spreche.

Ebenso müssen wir der Frage nachgehen, welche Maßnahmen die deutschen Behörden auch in Zusammenarbeit mit den ausländischen Partnern gegen das mutmaßliche Unterstützerumfeld des Attentäters nach dem Anschlag ergriffen haben. Die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse, zu erfahren: Wie steht es um die Analysefähigkeit deutscher Behörden in Bezug auf dschihadistische Netzwerke?

Uns bewegt aber auch noch eine weitere Frage: Ist nach dem Anschlag alles – aber auch wirklich alles – getan worden, um den Opfern und Hinterbliebenen gerecht zu werden? Hier geht es nicht nur, aber auch um materielle Unterstützung und darum, ob die derzeitigen gesetzlichen Regelungen zur Opferentschädigung ausreichen. Deshalb schlagen wir als Linksfraktion vor, dass die Obleute des Untersuchungsausschusses direkt nach der Konstituierung den Opferbeauftragten, die Hinterbliebenen und die Verletzten des Anschlages sowie gegebenenfalls von ihnen benannte Interessenvertreter zum Gespräch einladen.

Wir wollen keinen Untersuchungsausschuss, der auf billige Showeffekte und Instrumentalisierung der Opfer und Hinterbliebenen zielt und eigentlich nur weitere Munition für das Sperrfeuer der Rassisten und organisierten Neonazis gegen eine humanitäre Flüchtlingspolitik liefert. Das Problem des dschihadistischen Terrors – so viel können wir heute schon sagen – ist kein Problem der Flüchtlingspolitik.

Das Anliegen der Linken bei diesem Untersuchungsausschuss – das können Sie unserem Antrag sehr klar entnehmen – ist eine umfassende und effektive Aufklärung von Behördenmaßnahmen. Dazu gehört, dass wir – anders als die Union und die SPD – einen Untersuchungszeitraum wollen, der mit der Einreise des Attentäters in den Schengen-Raum beginnt und nicht mit dessen Tod endet. Der Ausschuss soll die Maßnahmen gegen das Unterstützerumfeld nach dem Tod Amris unbedingt prüfen. Da gehe ich mit meinem Vorredner vollkommen d’accord.

Schließlich sage ich – das ist nicht unwichtig –: Dieser Untersuchungsausschuss ist kein Selbstzweck, sondern es geht um den effektiven Schutz aller in Deutschland lebenden Menschen vor dschihadistischem Terror und dessen Vorstufen. Dafür müssen wir die Perspektiven und die Erfahrungen der hauptbetroffenen Gruppen dringend miteinbeziehen: die jüdischen Gemeinden ebenso wie die Geflüchteten, die in Deutschland Schutz vor genau diesem Terror gesucht haben. Dies ist ein Anliegen, das hoffentlich – und das meine ich tatsächlich sehr ernst – alle demokratischen Parteien in diesem Haus mit uns teilen.

Vielen Dank.