BKA-Gesetz schafft Überwachung statt Sicherheit

Martina Renner

Der Bundestag hat am Donnerstag das "BKA-Gesetz" beschlossen. Martina Renner betonte in ihrer Rede, der Entwurf biete "kein Mehr an Sicherheit, nur ein Mehr an Überwachung und Preisgabe von Datenschutz und Schutz der Privatsphäre".

Hier die Rede von Martina Renner:

"Dass Anis Amri nicht gestoppt wurde, bevor er zwölf Menschen tötete, lag nicht daran, dass über ihn nicht genügend Daten vorhanden waren, oder dass er keine Fußfessel trug. Man ließ ihn gewähren, weil die Behörden sich einfach nicht vorstellen konnten, dass jemand, der Alkohol trinkt und die Gebete vernachlässigt ein fanatischer Islamist sein könnte. Falsche Annahmen auch im Fall des rassistischen Attentats im Münchener Olympia-Einkaufszentrum. Der Täter ein Anhänger von Breivik und Hitler, die Opfer Migranten, es gibt ein schriftliches Bekenntnis. Aber kein rechter Terror, so sagen die Behörden.

Beides Beispiele dafür, dass aus falschen Analysen falsche Schlussfolgerungen gezogen werden. Das ist das Problem ihrer Sicherheitsarchitektur.

Wer den Terrorismus überwinden will, muss verstehen warum Menschen zu Attentätern werden. Ihr Technikfetisch wird ihnen die Antwort nicht geben können.

Der Gesetzentwurf folgt dem bekannten Muster: Ihr Erzfeind ist der Datenschutz. Das sieht man an den Regelungen zum Datenpooling. Einmal erhobene Daten können fast ohne besondere Voraussetzungen weitergenutzt, auf Vorrat gehalten und im Ergebnis noch Jahrzehnte später verwertet werden. Nach Verhältnismäßigkeit und Zweckbindung fragt niemand mehr. Der Besuch eines Fußballspiels oder einer Demonstration, bei der ihre Personalien erhoben wurden, ohne dass sie sich etwas zu Schulden haben kommen lassen, kann im Zweifel Anlass genug sein, dass Ihre Daten fast ewig gespeichert werden. Auf Jahre hinweg. Ein Alptraum von BIG DATA.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im April 2016 eben nicht eine dauerhafte Vorratsspeicherung gestattet, sondern nur eine unmittelbare Anschlussnutzung, inklusive anschließender Löschung. Man braucht keine Glaskugel um heute schon sagen zu können, die vorgeschlagenen Regelungen haben gute Chancen in Karlsruhe erneut kassiert zu werden.

Die LINKE lehnt außerdem die Einführung der Elektronischen Fußfessel gepaart mit Aufenthalts- und Kontaktverboten ab. Wenn ein konkreter Verdacht für eine unmittelbar bevorstehende Straftat vorliegt und ein Täter bereit ist, sein Leben zu opfern, dann nutzt eine Fußfessel gar nichts. Sie unterliegt ebenfalls dem Irrtum, fehlendes Personal bei der Polizei und mangelhafte Gefahrenprognosen durch Überwachungstechnik heilen zu können.

Zwei Beispiele: Adel Kermiche stand in der Normandie unter Hausarrest inklusive Fußfessel, als er den 86-jährigen Priester Jacques Hamel tötete. Der aus der Strafhaft entlassenen Rafik Yousef trug eine Fußfessel und ging mit einem Messer bewaffnet auf eine Polizistin in Berlin los.

Hören sie auf den Bürgern vorzumachen, diese Maßnahmen würden schützen, nein sie gaukeln lediglich Sicherheit vor.

Die LINKE lehnt auch den Staatstrojaner und die Onlinedurchsuchung ab. Im Gesetz fehlen jegliche Regelungen über die vom Trojaner einzuhaltenden technischen Anforderungen. Ob der Trojaner dann tatsächlich nur Daten ausliest oder auch das angegriffene System manipuliert oder Daten selbst erzeugt, wissen wohl nur das BKA und die beteiligten externen Entwickler.

Die Kontrolleure sind blind, blind nicht nur das Parlament sondern auch die Justiz. Das für die Kontrolle zuständige Amtsgericht Wiesbaden ist zur Beurteilung der Eingriffstiefe durch die Software gar nicht in der Lage, wie es selbst bei einer Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht schon einmal erklärt hat.

Und dann bleibt fraglich wie das BKA in den Rechner kommt? Möglicherweise durch Ausnutzung von Sicherheitslücken in Hard- und Software, gekauft auf einem kriminellen Markt von einem Staat, der im Interesse der Bürger diese Sicherheitslücken schließen und nicht nutzen sollte. Die Onlinedurchsuchung greift auch die Arbeitsgrundlage von Psychologen und Presse an.

Patientengeheimnis, Informantenschutz und Zeugnisverweigerungsrechte sind aber Kern der freiheitlichen Rechtsordnung. Bedauerlich dass diese der Mehrheit im Haus so wenig wert ist.

Alles kein Mehr an Sicherheit, nur ein Mehr an Überwachung und Preisgabe von Datenschutz und Schutz der Privatsphäre. Aus diesen Gründen werden wir den Gesetzentwurf zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtes ablehnen."

Videolink der Rede