Solange Sie und Ihresgleichen Brandreden halten, brauchen wir ein Gesetz, das die Opfer dagegen verteidigt.

Martina Renner

Rede von Martina Renner im Bundestag zum Versuch der AfD, das Verbot der Volksverhetzung auszuhöhlen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte zu Beginn anerkennen: Die Kompetenz der AfD in Sachen Volksverhetzung ist über jeden Zweifel erhaben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das beweisen Sie, wenn Sie Menschen rassistisch beleidigen. Das beweisen Sie, wenn Sie ganze Religionsgruppen verunglimpfen. Das beweisen Sie in Chatgruppen, in Ihren Reden und in Ihren Anträgen. Sie, Herr Maier, empfinden eine Anzeige wegen Volksverhetzung – auf die Beleidigung von Noah Becker ist schon Bezug genommen worden – nach eigenem Bekunden sogar als Auszeichnung. Herr Maier, hören Sie auf, zu lügen, indem Sie sagen: Es gab noch nie eine Verurteilung eines AfD-Politikers wegen Volksverhetzung. – Erst kürzlich wurde der Berlin-Lichtenberger AfD-Abgeordnete Kay Nerstheimer zu 7 000 Euro Strafe wegen Volksverhetzung verurteilt, weil er auf Facebook gegen Homosexuelle gehetzt hatte. Das ist die Wahrheit über Ihre Partei.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Heute wollen Sie eine der wenigen Institutionen angreifen, die Minderheiten gegen Ausgrenzung und Diffamierung schützt. Was hätten wir anderes von notorischen Rassisten erwarten können?

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wissen inzwischen ganz gut, dass die beste Position, aus der heraus Sie argumentieren, die Opferrolle ist. Sie behaupten, von Ausgrenzung betroffen zu sein, wenn nationalistischer Hetze kein Raum gegeben wird. Sie plärren über verletzte Meinungsfreiheit, wenn Sie nicht unwidersprochen rechte Propaganda verbreiten dürfen, und Sie entehren das Andenken an Millionen im Nationalsozialismus Ermordete.

(Zurufe von der AfD: Schäbig! – Linke Hetzerin!)

Sie besitzen die Dreistigkeit, das Verweisen aus einer Kneipe mit dem mörderischen Antisemitismus der Nazis gleichzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was Sie wollen – dazu gehört auch der heute diskutierte Gesetzentwurf –, ist die Manipulation der Erinnerung in Vorbereitung einer autoritären Zukunft.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Ich habe eben den Zwischenruf „Hetzerin“ gehört. Den rüge ich. Ich weiß nicht genau, wer es war. Das wird das Protokoll feststellen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Das hören wir den ganzen Tag!)

Ich rufe Sie damit zur Ordnung.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Martina Renner (DIE LINKE):

Wir werden dies alles nicht zulassen. Wir werden immer daran erinnern, dass es seit eh und je zur Propaganda der Rechten gehört, sich selbst als Opfer zu inszenieren und die eigentlichen Opfer aus der Aufmerksamkeit zu verdrängen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Martin Hebner [AfD]: Die Mauertoten!)

Diesen Opfern will die AfD nun den Schutz entziehen, indem der Fokus des Gesetzes verzerrt wird.

Klar: Wenn es nach Ihnen ginge, gäbe es gar keine Gesetze gegen Volksverhetzung. Da haben wir dann auch schon die nächste Lüge von Herrn Maier. Er hat eben hier gesagt: Niemals wollten wir § 130 StGB gänzlich abschaffen. – Am 23. März dieses Jahres werden Sie bei „Tag24“ zitiert:

Vor diesem Hintergrund wäre es an und für sich konsequent, den Paragrafen 130 zu streichen ...

In einem anderen Interview fordern Sie erneut, man müsse § 130 StGB komplett streichen. Hören Sie auf, zu lügen. Wir wissen, dass Sie § 130 StGB abschaffen wollen und heute eben nur Kreide gefressen haben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Warum wollen Sie § 130 StGB abschaffen, und warum greifen Sie ihn überhaupt an? Wenn er nicht bestehen würde, dann könnten Sie nämlich ganz ungehindert, wie es Ihnen beliebt, gegen Behinderte, Flüchtlinge, Juden, Moslems und Linke hetzen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der AfD)

Das Unwort begleitet die Untat. Das zeigt auch die Geschichte dieses Paragrafen. Das Gesetz gegen Volksverhetzung wurde als Reaktion auf eine Welle antisemitischer Gewalt in der BRD der 1950er-Jahre, darunter die Schändung der Kölner Synagoge, verabschiedet.

Eine interessante Parallele zu heute ist übrigens, dass sich die Deutsche Reichspartei, nachdem bekannt wurde, dass die Täter Parteimitglieder waren, eiligst distanzierte und sich gegen Antisemitismus aussprach. Auch heute distanziert sich die AfD öffentlich von Rassismus und Antisemitismus. Damals wie heute gilt: Wir glauben Ihnen kein Wort.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir glauben denen, die Angst vor Ihnen haben. Die AfD hält die Brandreden, und andere Leute werfen Brandsätze.

(Beatrix von Storch [AfD]: Das ist doch Hetze!)

Solange Sie und Ihresgleichen Brandreden halten, brauchen wir ein Gesetz, das die Opfer dagegen verteidigt.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie lieben die Angst und können gar nicht genug davon kriegen.

(Fabian Jacobi [AfD]: Das sind doch Projektionen!)

Wir aber wollen eine Gesellschaft, in der alle ohne Angst verschieden sein können und in der es für alle Platz gibt – außer für die Hetzer und die Hetze.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Anhaltende Zurufe von der AfD)