Videoüberwachung ist keine Antwort auf soziale Verunsicherung

Martina Renner

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher!

Der grauenhafte Terroranschlag auf dem Breitscheidtplatz hat der Frage nach öffentlicher Sicherheit traurige Aktualität verliehen. Der vorgelegte Gesetzentwurf ist jedoch die falsche Antwort auf diese Frage. Er bedeutet ein Mehr an Überwachung nicht aber ein Mehr an Sicherheit.

Die Fraktion DIE LINKE lehnt den Gesetzentwurf ab, weil er nichts besser und einiges schlimmer machen wird.

Warum macht er nichts besser:

Die Ausweitung der Überwachung öffentlicher Räume taugt nicht einmal als Placebo. Denn anders als ein Placebo hilft Überwachung selbst dann nicht, wenn man dran glaubt.
Schauen wir auf die beiden Versprechen, mit denen dieser Eingriff in Datenschutz und Bürgerrechte gerechtfertigt werden soll:
Zum einen wird gesagt, Videoüberwachung erhöhe die Sicherheit der Bevölkerung. Das ist falsch.
Die flächendeckende Videoüberwachung in Großbritannien, wo ein Passant in der Hauptstadt durchschnittlich 300 Mal am Tag von Kameras erfasst wird, verhinderte nicht die Anschläge in London. Ein Rückgang der Kriminalität, insbesondere der Gewaltkriminalität, ist im Land der  4,5 Millionen Kameras nicht feststellbar und auch die abschreckende Wirkung nimmt ab. Dies räumen inzwischen auch die Behörden in Großbritannien ein. Der Leiter von Scotland Yards Videoüberwachungsabteilung  bilanzierte 2010 die Kameraüberwachung als „ein völliges Fiasko“. Dies gilt für die Strafverfolgung wie für den Bereich der Prävention.
Das mit dem Gesetz formulierte Versprechen, „die Sicherheit der Bevölkerung präventiv zu erhöhen“ wird also nicht eingelöst.

Das andere Versprechen lautet, dass die Ermittlungen effektiver werden.
Bin ich die einzige, die sich an Amris hämische Geste nach der Tat erinnert, deren Erfassung durch eine Kamera am Bahnhof Zoo exakt gar nichts zur Ergreifung beitrug?
Bin ich die Einzige, die sich erinnert, dass die Aufnahmen der NSU-Terroristen von Kameras in Köln vor dem Nagelbombenanschlag eben nicht zur Effizienz der Ermittlungen beitrugen?

Auch dieses Versprechen ist leer.

Das Gesetz wird also nichts besser machen, doch was macht das Gesetz schlimmer?

"Videoüberwachung ist ein intensiver Eingriff. Sie beeinträchtigt alle, die den betroffenen Raum betreten. Sie dient dazu, belastende hoheitliche Maßnahmen vorzubereiten und das Verhalten der den Raum nutzenden Personen zu lenken."
Dabei handelt es sich um eine Einschätzung des Bundesverfassungsgerichtes und nicht um die vermeintlich ideologisch verstellte Haltung der Opposition. Dass der Gesetzentwurf keinerlei Vorgaben zur unverzüglichen Löschung der Aufnahmen enthält verstärkt die Einschätzung des Gerichts.

Nochmal im Klartext: Wer beobachtet wird, ändert sein Verhalten. Jeder von uns kennt das hier, wenn die Kamera angeht, sitzen, laufen, reden, wir anders als unbeobachtet. Videoaufzeichnungen können in vielfältiger Weise missbraucht werden. Nicht nur von Privaten und Firmen. Auch der Staat hat kein Recht immer zu wissen, wo wir gerade sind und was mir machen. Schon jetzt ist klar, dass die Benachrichtungspflichten aus den Maßnahmen gegenüber den Betroffenen nicht erfüllt werden können. Wir wissen eben nicht, was mit den Aufnahmen geschieht und wer welche Daten am Ende so zusammensetzt, dass wir die Hoheit über unser Privatleben verlieren.

Der DGB weist außerdem zu Recht darauf hin, dass die Angestellten der entsprechenden Einrichtungen in besonderem Maße von dieser Überwachungen betroffen sein werden.

Nein, dieses Gesetz wird nichts besser machen und deshalb wird die Fraktion DIE LINKE ihm nicht zustimmen. Wir sehen es als eine Maßnahme, die gesellschaftlicher Verunsicherung begegnen soll, die Ergebnis unsozialer Politik ist. Doch anders als in der Mathematik ergeben Minus und Minus hier kein Plus.

Wir werden deshalb weiterhin für eine Politik streiten, die öffentliche und soziale Sicherheit als Einheit begreift.

Zum Videolink