Wir brauchen ein Bürgerbeteiligungsgesetz

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren der demokratischen Fraktionen,

Nun ist eingetroffen, wovor mein Kollege Ralph Lenkert vor drei Jahren an dieser Stelle gewarnt hat: in der Pandemie werden befristet neue Regeln für die Bürgerbeteiligung eingeführt, um sie danach einfach zu entfristen. Worum geht es nun genau?

Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, sich an Planungen für neue Betriebe, an Bauplanungen allgemein zu beteiligen. Das fand bis vor drei Jahren noch in einer Weise statt, als ob es das Internet nicht geben würde. Vor Ort und live mit einem Erörterungstermin als Herzstück der Bürgerbeteiligung. Bedenken können vorgebracht, es kann diskutiert und manchmal können auch Lösungen gefunden werden.

Es ist richtig, dass die Behörden verpflichtet werden, die Unterlagen auch online zu veröffentlichen. Falsch ist es, den Behörden zu überlassen, wie sie die Erörterungstermine durchführen. Die Möglichkeit, Videokonferenzen einzurichten, gab es und wird es nun auch weiterhin geben. Sie sind aber nicht überall möglich, Stichwort Breitbandausbau. Auch haben nicht alle Bürgerinnen und Bürger die technische Ausstattung, Stichwort Ungleichheit. Die Alternative der Onlinekonsultationen begrenzt die Beteiligung auf bloße schriftliche Äußerungen. Auch dies ist für viele Menschen eine hohe Hürde.

Wir halten diese Online-Konsultation für den denkbar schlechtesten Ersatz für die Erörterung von Angesicht zu Angesicht. Und wir hätten erwartet, dass in diesem Gesetz wenigstens einige Vorgaben enthalten sind, wann die Behörden auf welche Form der Erörterung zurückgreifen.

Bürgerbeteiligungen finden sich noch in einer Reihe weiterer Gesetze, beispielsweise beim Immissionsschutz oder im Baugesetz. Umso richtiger wäre es, die verschiedenen Regelungen endlich zu einem Bürgerbeteiligungsgesetz zusammenzuführen. Das Prinzip sollte dabei sein, digitale Formate zur Stärkung der Bürgerbeteiligung zu nutzen, aber zugleich den Zugang für alle Bürgerinnen und Bürger zu sichern. Diesem neuerlichen Stückwerk in Sachen Digitalisierung der Verwaltung können wir so nicht zustimmen.

Vielen Dank