Antifaschismus

Angeklagte mit "offensichtlich rechter Gesinnung"

Quelle: ballstaedt2014/18.03.2016/Dokumentation

Ein weiterer Befangenheitsantrag, Zeuginnen, die sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen und Polizisten, die sich nur teilweise erinnern. Eine Prozessdokumentation des 10. Verhandlungstages zum Überfall auf eine Kirmesgesellschaft in Bakllstädt 2014.

Eröffnung des 10. Prozesstages am 16. März nach 15-minütiger Verspätung um 9:46 Uhr aufgrund der zu späten Erscheinung des angeklagten Herrn Blasche.

Eingangs wurde mitgeteilt, dass die geladenen Zeuginnen Frau C. Hartmann und Frau J. Illhardt nicht erscheinen werden. Frau Hartmann war aufgrund einer Entzündung der Augen nicht fähig im Zeugenstand zu erscheinen und Frau Illhardt konnte die Ladung aufgrund einer gewechselten Wohnanschrift nicht zugestellt werden. Frau Illhardt wird erneut kontaktiert werden.

Nach Eröffnung des Prozesstages wurde im ersten Schritt ein Befangenheitsantrag des Rechtsanwalts Waldschmidt gegen den prozessführenden Richter verlesen. Begründet wurde das Misstrauensvotum mit einer Aussage des Richters, welche er per Telefonanruf in der Kanzlei des von RA Waldschmidt getätigt haben soll. Der Richter soll sich zum einen im Ton vergriffen haben und zum anderen soll er öfters von so wörtlich "seinem Prozess" gesprochen haben. Dieser Wortlaut impliziert nach Aussage des Waldschmidt eine Nichtgleichstellung aller Beteiligten am Prozess. Es wäre nach Auffassung des Waldschmidt nicht gewährleistet, dass der Richter eine unparteiische Prozessführung weiter gewährleisten könne.

Weiter ging es darauf mit der ersten Zeugin des Tages. Frau Hahn nahm nach dem Betreten des Zeugenstands von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, welches ihr als Verlobte des Angeklagten Söllner zusteht.

Daraufhin wurde mit der Befragung des nächsten Zeugen fortgefahren. Herr G. war der vernehmende Beamte der Nachbarn des gelben Hauses. Er gab an, in der Vernehmung des Ehepaars erfahren zu haben, dass diese Listen von Nummernschildern von Autos angefertigt hatten, welche sie am gelben Haus sichteten.

Weiter gab der Polizeibeamte an, sich jedoch kaum noch an sonstige Geschehnisse aus der Vernehmung oder sonst wie erinnern zu können. Er könne auch sonst eigentlich keine Antworten auf Fragen geben, da er erst am Vortag erfahren habe, dass er als Zeuge geladen werden sollte. So hatte er keine Gelegenheit sich nochmals in die Aktenlage einzulesen.

Daraufhin versuchte RA Waldschmidt mit einem Einspruch die Vernehmung des Zeugen zu beenden, da dieser durch die Aussage sich an nichts mehr erinnern zu können, nicht weiter befragt werden könne. Nach einem Wortgefecht zwischen Nebenklage, Vorsitzendem Richter und RA Waldschmidt wurde der Einspruch abgelehnt und dem RA Waldschmidt vorübergehend das Wort entzogen. RA Waldschmidt kündigte daraufhin an, dies in den anfangs gestellten Befangenheitsantrag einzuarbeiten.

Anschließend wurde der Zeuge weiter zu Ablauf der Vernehmung der Nachbarn befragt, worauf der Zeuge lediglich noch sagen konnte, dass die Vernehmung handschriftlich protokolliert wurde. Daraufhin wurde der Zeuge aus dem Zeugenstand entlassen und eine Unterbrechung des Prozesses über 20 Minuten verordnet.

Nach der Unterbrechung wurde ein weiterer Zeuge in den Zeugenstand gerufen. Herr H. berichtete, das er zur Tatnacht als Polizeibeamter um 2:30 Uhr nach Ballstädt gerufen wurden. In Ballstädt sei er zusammen mit drei Kollegen dafür zuständig gewesen, den Nahbereich und die Ortschaft abzufahren.

Herr H. gab zuerst an, wie er sich zwei Autominuten vor Ballstädt das Teil-Nummernschild eines zügig entgegenkommenden Autos, eines grüner Golf IV, notierte.

Bei der Kontrolle des Nahbereichs und der Ortschaft seien Herrn H. und seinen Kollegen ein zerbrochenes Fenster des gelben Hauses an der Hauptstraße 29 aufgefallen. Daraufhin hätten sie den Schaden aus der Nähe betrachtet. Während sie die zerbrochene Scheibe begutachteten, wurden sie von einem Bewohner des Hauses, welcher sich als der angeklagte Herr Andre Keller herausstellte, angesprochen. Dieser ließ daraufhin die Polizisten in das Objekt. Herr H. habe daraufhin weitere Beamte zum gelben Haus angefordert, welche dann den Schaden aufgenommen haben. Der Schaden wurde vermutlich durch einen hinter dem Fenster liegenden Stein verursacht, welcher durch die Scheibe geworfen wurde.

Herr H. gibt an, dass er keine Personen im Objekt außer Herrn Keller angetroffen habe. Nachdem das Objekt begangen und der Schaden begutachtet wurde, fuhr ein grüner Golf IV vor das Objekt. Dieser stellte sich als der Golf IV heraus, welcher zuvor Ballstädt verließ und vom Polizeibeamten H. notiert wurde.

Die beiden, aus dem Auto steigenden Personen, seien anschließend als Christina Hartmann und Tony Steinau identifiziert worden und von anderen Polizeibeamten zur Vernehmung mit auf die Polizeidienststelle genommen worden.

Auf die Frage des Richters, wie viele Personen sich anfangs, bei der Ortsausfahrt von Ballstädt, im Auto befanden, konnte der Zeuge H. jedoch keine Angaben machen.

Den Raum hinter dem eingeschmissenen Fenster beschrieb der Zeuge als eine Art Party- oder Gemeinschaftsraum, in dem nach Erinnerungen des Zeugen ein Billardtisch gestanden haben soll. Die Nachfrage des Richters ob auch ein Kinderbett in dem Raum gestanden hat verneint der Zeuge. Mit den Personen Keller, Hartmann und Steinau habe H. keinen weiteren Kontakt in dieser Nacht gehabt, da sich andere Polizeibeamten um diese kümmerten.

Auf die Nachfrage des Richters ob er gefährliche Gegenstände wahrgenommen habe, kann der Zeuge keine genauen Angaben mehr machen, schließt dies aber eher aus. Nachdem der Richter aus dem Bericht zitiert, dass vor dem gelben Haus etwas gefunden wurde, erinnert sich Zeuge H. an einen Schlagstock. Er beschreibt ihn als einen kleinen Baseballschläger.

Darauf wurde H. gefragt ob er bei weiteren Durchsuchungen im Nachgang der Tatnacht anwesend war. Dies bejahte der Zeuge. Er gab an bei der Hausdurchsuchung des Wohnsitzes des Angeklagten Steinau beteiligt gewesen zu sein. Auf die Nachfrage ob Objekte sicher gestellt wurden gab H. an, das dort pyrotechnisches Material und Waffen, die eventuell unter das Waffengesetz fallen, sichergestellt wurden, genau könne er sich jedoch nicht mehr erinnern. Der Richter zitiert daher aus dem Bericht: "Luftdruckpistole, Hakenkreuzstatue, Glasflasche mit der Aufschrift 'il duce con Hitler' und ein Klappmesser" und möchte wissen ob sich Zeuge H. an diese Gegenstände erinnern kann. Dieses bejaht der Zeuge.

Auf Nachfragen zum Stein, welcher in dem Raum hinter dem Fenster lag, kann Zeuge H. jedoch keine Angaben mehr machen. Er kann sich nicht mehr erinnern ob dort auch eine rote Serviette lag oder welche Art von Stein es gewesen ist.

Anschließend wurde der Zeuge H. von der Nebenklage zu der durchgeführten Hausdurchsuchung bei den Eltern des Angeklagten Steinau befragt. Der Zeuge H. gab an, dass der Angeklagte Steinau bei der Durchsuchung nicht anwesend war. Lediglich die Eltern des Steinau, welche sich sehr kooperativ zeigten, wie H. anmerkte.

Nach dem Zeugen H. wurde der Zeuge B. angehört. B. berichtet, dass er am Abend der Tat mit den Kollegen H. und G. um 2 Uhr zum Tatort des gelben Hauses gerufen wurde. Vor Ort sollten sie dann eine Nahbereichsfahndung durchzuführen. Im Zuge der Befahrung des Ortes Ballstädt stellen sie ein zerbrochenes Fenster am "Objekt Hauptstraße 29" fest. Der Richter fragt ob bei der Einfahrt in den Ort etwas vorgefallen sei. De Zeuge berichtet, dass der Kollege H. sich ein Fahrzeug notierte, welches ihnen knapp zwei Minuten vor Ballstädt mit höherer Geschwindigkeit entgegenkam. Er selber konnte jedoch nicht erkennen um welch ein Auto es sich handelte und auch nicht wie viele Leute im Wagen saßen, da er selbst nur auf der Rücksitzbank saß. Besonders an dem Auto war, so stellte der Zeuge fest, dass es das einzige Auto war, welches ihnen auf dem ganzen Weg nach Ballstädt entgegenkam.

Der Richter befragt den Zeugen nun weiter zu dem Hergang der Geschehnisse am gelbem Haus. B. berichtet, dass sie vom Angeklagten Keller in das Objekt zur Betrachtung des Schadens eingelassen wurden. Der Zeuge konnte im Gebäude außer Keller keine weiteren Personen feststellen. Er berichtet weiter, dass nach der Betrachtung des Schadens ein Auto vor das Objekt fuhr. Der Kollege identifizierte das Auto als jenes, welches er sich bei der Einfahrt nach Ballstädt notiert hatte. Aus dem Auto stiegen zwei Personen, welche daraufhin von weiteren Beamten zur Vernehmung mit auf die Wache genommen wurden.

Nach der Darstellung der Geschehnisse der Tatnacht befragt RA Lippold den Zeugen, ob er den Stein gesehen hätte, welcher durch die Scheibe geworfen worden sein soll. Der Zeuge hat jedoch den Stein nicht gesehen, da bei der Begehung des gelben Hauses weitere Beamten dabei waren, welche zur Verstärkung hinzu gerufen wurden. Er selbst habe lediglich einen kurzen Blick in den Raum hinter dem zerbrochenen Fenster geworfen und beschreibt daraufhin den Raum als eine Art Partyraum mit Billardtisch.

Nach der Mittagspause wurde die Zeugin Frau P. befragt. Die Zeugin P. berichtet, dass sie in der Tatnacht nicht am Ort des Geschehens anwesend war, sondern zum Zeitpunkt der Tat schlief und daher kaum Angaben zur Tat machen kann. Sie berichtet, dass sie am Morgen der Tat, nachdem sie ihr Handy um ca. 10 Uhr einschaltete, etliche Nachrichten über die Tatnacht empfangen hatte. Diese Nachrichten hielt sie zuerst für einen Scherz. Der Richter lässt Frau P. nun Berichten, was sie alles über Wahns' App erfahren hat. Zeugin P. berichtet, das sie erfuhr, dass die Kirmesgesellschaft angegriffen worden sei und der Saal des Kulturhauses komplett verwüstet gewesen ist. Auf die Frage des Richters, was berichtet wurde, wer denn die Täter gewesen sein können, antwortet Zeugin P., das geschrieben wurde, das es wohl Personen aus dem gelben Haus gewesen seien. Namentlich wurde in der Whats' App Gruppe Tony Steinau genannt. Der Richter möchte nun wissen ob Zeugin P. im Nachgang oder auch schon vor der Tat über die Bewohner des gelben Hauses recherchiert hat. Frau P. antwortet darauf, dass sie sich mit Facebook über einige Bewohner und deren offensichtlich bekannte Personen schlau gemacht hat. Nach der Tat waren die Facebook-Profile einiger Angeklagter öffentlich einsehbar. Frau P. berichtet, dass einige der Angeklagten, unter einem Foto vom Raum hinter dem zerstörten Fenster des gelben Hauses, diese Tat diskutierten.

Weiter befragt der Richter nun die Zeugin zu einem Treffen, welches am Sonntag nach der Tat stattgefunden haben soll. Die Zeugin beschreibt, dass dies ein Treffen einiger Dorfbewohner war. Sie erinnert sich an 30-40 Personen, welche die Tatnacht auf diesem Treffen resümierten. Unter den Personen waren auch einige der Opfer aus dem Saal des Kulturhauses. Sie berichtete weiter, dass sie selbst im Bündnis gegen rechts aktiv ist, welches aber gar nichts mit der Kirmesgesellschaft zu tun hat. Die Personen dort machten die Bewohner des gelben Hauses als Täter des Übergriffs aus. Es fiel der Name Scholl. Scholl soll mit einer Stoppuhr am Eingang des Saals des Kulturhauses gestanden haben und nach zwei Minuten "Alle Raus, Alle Raus jetzt!" gerufen haben.

Das auch die Scheibe am gelben Haus eingeworfen wurde erfuhr Zeugin P. erst auf dem Treffen. Der Richter berichtet nun von der Nachbarin des gelben Hauses, welche angegeben hat, in der Tatnacht hätten Vermummte einen Stein in das Fenster des gelben Hauses geworfen und dabei laut gelacht. Von diesen Ereignissen ist der Zeugin jedoch nichts bekannt, lediglich das wohl ein Fenster eingeworfen wurde.

RA Takens fragt die Zeugin, woher ihre Angst gegenüber den Bewohnern des gelben Hauses kam, dass sie so ausgiebig Informationen über diese sammelte und recherchierte. Frau P. begründete dies mit Vorstrafen und optischem Auftreten der Personen und der "offensichtlich rechtsextremen Gesinnung" der Bewohner. Frau P. berichtet weiter, das einer der Bewohner einmal auf der Straße den Hitlergruß gezeigt habe. Außerdem habe es schon Mal eine Razzia im gelben Haus gegeben, von der nachträglich medial berichtet wurde. Bei dieser Razzia wurden wohl mehrere gefährliche Gegenstände sichergestellt.

Nach mehreren unsachlichen Anschuldigungen und der Aufstellung verschiedener Mutmaßungen und Theorien des RA Waldschmidt, welche die Zeugin P. als Täterin des Steinwurfs identifizieren sollte, wurde dem Rechtsanwalt vorübergehend vom Richter das Wort entzogen.

Weiter ging es dann mit der Befragung der Zeugin S. Galan, welche zum Tatzeitpunkt die Freundin vom Angeklagten Blasche war, nun jedoch von ihm getrennt ist. Die Zeugin Galan gab im Zeugenstand an, ihre Aussage komplett zu verweigern. Nachdem der Richter sie darauf hingewiesen hatte, dass sie diese Möglichkeit nicht hat, machte die Zeugin daraufhin einen verwirrten Eindruck. Daraufhin belehrte sie der Richter, dass sie die Möglichkeit habe sich vor Berufung in den Zeugenstand anwaltlich beraten zu lassen. Daraufhin gab die Zeugin an, sich Zeugenbeistand nehmen zu wollen. Der Richter verschob folglich die Vernehmung der Zeugin Galan auf den nächsten Verhandlungstag.

Abschließend fragte die Nebenklage, ob im Laufe des Tages das Attest der Zeugin Hartmann eingereicht wurde, was nicht der Fall war und empfahl darauf dem Richter für weitere Krankheiten ein amtsärztliches Attest zu fordern.

Damit endete der 10. Prozesstag um 14:45 Uhr.

Nächster Verhandlungstermin ist am 06.04.2016.


Weiter Infos unter Ballstädt 2014