Antifaschismus
Schwerer Überfall durch organisierte Neonazis in Ballstädt
Martina Renner und Katharina König über den Angriff von Neonazis auf die Kirmesgesellschaft in Ballstädt: „Unser Mitgefühl gilt den Verletzten und Betroffenen sowie ihren Angehörigen, sie sollten jetzt jegliche Unterstützung und Schutz erfahren.” Gleichzeitig kritisieren die beiden Abgeordneten das erneute Versagen des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz.
Zum Überfall von 15 bis 20 maskierten Neonazis auf die Kirmesgesellschaft in Ballstädt in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag erklären Martina Renner, Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion, und Katharina König, Abgeordnete im Thüringer Landtag: „Unser Mitgefühl gilt den Verletzten und Betroffenen sowie ihren Angehörigen, sie sollten jetzt jegliche Unterstützung und Schutz erfahren.”
Gleichzeitig kritisieren die beiden Abgeordneten das erneute Versagen des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz. Erst in der vergangenen Woche hatte ein Referent dieser Behörde bei einer öffentlichen Veranstaltung in Friedrichroda neonazistische Strukturen in Thüringen und gerade auch in Ballstädt erneut verharmlost sowie Links- und Rechtsextremismus gleichgesetzt.
Nach Informationen, die König und Renner vorliegen, wurde mindestens ein Täter im Zusammenhang mit dem Angriff erkannt. Er gehört zu der Neonazi-Gruppierung im Raum Crawinkel/Ballstädt rund um die Thüringer Rechtsrock-Band „S.K.D.“, die in der Region immer wieder mit extrem rechten Aktivitäten auffiel. Dazu gehörten ein Schießtraining mit Anscheinwaffen Ende 2012, welches unter dem Motto „NSU-reloaded“ stattfand, und ein Kugelbomben-Angriff vor einem alternativen Hausprojekt in Gotha. Mit dem Beginn des NSU-Prozesses in München solidarisierte sich die Gruppe auch offen mittels eines Plakates mit dem dort angeklagten mutmaßlichen NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben aus Jena.
„Der Überfall zeigt erneut, dass sich die organisierte militante Neonazi-Szene weder durch bisherige Repressionsmaßnahmen noch durch die im Zuge der Ermittlungen rund um den NSU gestiegene mediale Öffentlichkeit in ihrer Radikalität und Gewalttätigkeit hat bremsen lassen“, so König, Sprecherin für Antifaschismus der LINKE-Landtagsfraktion.
Die Abgeordneten hoffen, dass bei den Ermittlungen auch die am gleichen Tag in Weimar stattgefundene Neonazi-Demonstration bzw. das dort aufgetretene Klientel und deren Abreise mit geprüft werden. Einige Stunden vor dem Übergriff marschierten dort ca. 80 Neonazis aus mehreren Bundesländern durch die Stadt. Am Ende wurde der Einsatzleiter von einem rechten Teilnehmer angegriffen und verletzt.
„Gerade Hausprojekte der rechten Szene, wie beispielsweise in Ballstädt, dienten immer wieder der Beherbergung und Vernetzung militanter Neonazi-Gruppen“, so Renner, Sprecherin für antifaschistische Politik der Linksfraktion im Bundestag. Die in Ballstädt aktiven Neonazis, welche ein neu gekauftes Haus nutzen, sind in den letzten Monaten im Zusammenhang mit den Ermittlungen in Österreich zum sogenannten „Objekt 21“ aufgefallen. Einer der Bewohner ist ehemaliger NPD-Landtagskandidat und gilt als Organisator der Solidaritäts-Aktionen für den mutmaßlichen NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben.
Die Verbindungen Thüringer Nazis zum „Objekt 21“ in Österreich stellen eine neue Qualität dar: In Österreich zeigte sich, dass auch vor Waffeneinsatz zur Umsetzung der Ideologie nicht zurückgeschreckt wird. Erst vor wenigen Monaten wurden in Neonazi-Objekten in Ballstädt und Crawinkel u.a. Maschinenpistolen und Maschinengewehre sichergestellt. Zu befürchten ist, so König und Renner, dass auch die Thüringer Neonaziszene nicht vor dem Einsatz derer zurückschreckt. Das Bundesinnenministerium zählte vor wenigen Monaten 27 solcher Objekte in Thüringen.
„Es gilt, derartigen Rückzugs- und Veranstaltungsorten konsequent entgegenzuwirken und sie zu verhindern. Das wiederholte Versagen des vermeintlichen Frühwarnsystems "Verfassungsschutz" offenbart, dass dieser Inlandsgeheimdienst überflüssig ist. Gerade das organisierte Vorgehen der Täter in Ballstädt mit 15-20 vermummten Personen deutet darauf hin, dass hier ein trainierter Täterkreis aktiv war, der bereits im Vorfeld mit gewalttätigen Übergriffen erprobt war. Statt den Verfassungsschutz weiter mit Gelder zu fördern, damit dieser erklärt, dass vermeintliche Nazigegner genauso schlimm wären wie Neonazis, und erneut die Gefahr von rechts verharmlost, wäre eine Unterstützung der zivilgesellschaftlichen Akteure oder auch eine dauerhafte Stärkung der Sonderkommission "BAO Zesar" ein angemessenerer Umgang“, so die beiden Abgeordneten.
Die BAO wurde Anfang Januar 2013 bei der Thüringer Polizei gegründet, um konzentriert gegen neonazistische Straftaten und Strukturen vorgehen zu können. Dass mehrere Personen bei dem Neonazi-Angriff verletzt wurden und sogar im Krankenhaus behandelt werden, offenbart erneut die Gefährlichkeit der neonazistischen Ideologie, so die Abgeordneten. Die Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag wird den Angriff der Neonaziszene mit einem Antrag im Innenausschuss thematisieren.