Antifaschismus

Twitter-Streit über geschwärzte Akten im Ballstädt-Prozess

Quelle: thueringer-allgemeine.de/31.08.2016/Dokumentation

Der Verfassungsschutz weigert sich weiterhin, wichtige Abhörakten zum Ballstädt-Prozess herauszugeben. Martina Renner spricht von Behinderung des Gerichts.Verfassungsschutzchef Kramer weist Vorwurf zurück. Die Thüringer Allgemeine berichtet.

Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer meldet sich auch per Twitter zu Wort. Am Wochenende debattierte er in der Nacht von Freitag auf Samstag unter anderem heftig über den Kurznachrichtendienst mit Martina Renner, linke Bundestagsabgeordnete aus Thüringen.

Der Behördenchef weist für den Nachrichtendienst deutlich den Vorwurf der Nebenklage im Ballstädt-Prozess und der Linkspartei zurück, das Verfahren zu behindern. Die Anwälte der Opfer kritisierten in den vergangenen Wochen mehrfach, dass der Verfassungsschutz dem Gericht nur Akten mit geschwärzten Passagen überlassen hatte.

Die 15 in dem Verfahren angeklagten Personen müssen sich wegen eines mutmaßlich rechtsextremen Überfalls auf eine Kirmesgesellschaft im Februar 2014 in Ballstädt im Kreis Gotha verantworten. Sie sollen den Saal der Feiernden gestürmt und zehn Menschen verletzt haben.

Nach der Attacke kam die Polizei auf die Spur einiger der Angeklagten, weil Telefone vom Verfassungsschutz überwacht und Gespräche mitgeschnitten wurden. Die Brisanz der belauschten Gespräche offenbarte sich erst nach der Tat.

Für den Prozess sollen nun diese Abhörprotokolle beigezogen werden. Das bestätigten mehrere Anwälte der Nebenklage. Dafür ist zuvor zu klären, ob die Lauschaktion nach Recht und Gesetz verlief. Nur dann kann das Gericht diese Protokolle überhaupt verwenden.

Das Thüringer Innenministerium – zu dem der Verfassungsschutz gehört – übergab im Juli nach längerer Aufforderung und einer Klage dem Landgericht die entsprechenden Unterlagen zur Prüfung. Diese Dokumente enthalten "zahlreiche Schwärzungen". Das erschwert aus Sicht der Nebenkläger ein Überprüfen der Rechtmäßigkeit oder macht es sogar unmöglich.

Daher forderten die Opferanwälte inzwischen zusätzlich von der Staatsanwaltschaft die Akte einer Durchsuchung in Crawinkel im Kreis Gotha von 2013 an. Die Nebenkläger hoffen mit den Angaben in diesem Dokument die Schwärzungen in den Verfassungsschutzunterlagen aufdecken zu können.

Martina Renner bekräftigte gestern gegenüber der TA ihre Kritik am Verhalten des Verfassungsschutzes in diesem Verfahren. Aus ihrer Sicht hat der Nachrichtendienst beim Aufklären von Straftaten eine Bringpflicht und muss daher gar nicht erst vom Gericht zur Vorlage von Akten aufgefordert werden. Renner erwartet vom Innenministerium, dass veranlasst werde, alle für den Strafprozess erforderlichen Unterlagen dem Landgericht Erfurt in verwertbarer Form vorzulegen. Sie bezieht sich auch auf Artikel 35 des Grundgesetzes, der die Behörden zur gegenseitigen Amtshilfe verpflichtet.

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