Gesellschaftliche Alternativen stärker betonen

Quelle: unz.de/01.12.2015/Dokumentation

Millionen engagieren sich für Flüchtlinge: Gerade nach Paris sollten wir uns auf die konzentrieren, die ihre Stimme gegen Rassismus erheben und nicht in eine gefährliche, defätistische Haltung verfallen, erklärt die Bundestagsabgeordnete Martina Renner im Interview mit "Unsere neue Zeitung".

Millionen engagieren sich für Flüchtlinge: Gerade nach Paris sollten wir uns auf die konzentrieren, die ihre Stimme gegen Rassismus erheben und nicht in eine gefährliche, defätistische Haltung verfallen, erklärt die Bundestagsabgeordnete Martina Renner.

Sind die Anschläge von Paris Terrorismus oder ist das die asymmetrische Form des  Krieges, der vor Jahren in Afghanistan und dem Irak begann?

Nein, es handelt sich klar um Terrorismus. Natürlich ist eine Ursache für die Anschläge in Paris die Kriegsführung der westlichen Länder im Irak, Afghanistan oder Pakistan. Frankreich hat Luftangriffe gegen Dschihadisten-Camps in Syrien geflogen. Das putscht natürlich die Szene auf und generiert neue Motivation, gegen den Kriegsgegner vorzugehen. Wenn man – wie der Islamische Staat – ausschließlich die Zivilbevölkerung – sei es in Syrien, im Nordirak, in Lybien oder in EU-Staaten wie Frankreich  angreift mit dem erklärten Ziel,  die jeweilige Gesellschaft zu destabilisieren, Unruhe zu schaffen, die Sicherheitssysteme in Panik zu versetzen, dann ist das Terrorismus. Dieser Terrorismus richtet sich  keineswegs nur in Europa, sondern beispielsweise auch im kurdischen Teil Syriens gegen offene, demokratische und plurale Gesellschaften und gegen alle, die nicht bereit sich, sich dem pseudo-religiösen, aber tatsächlich im Kern faschistischen Regime des IS zu unterwerfen.
 
Reaktionen wie die Absage des Länderspiels am 17. 11. spielen den Terroristen doch erst Recht in die Karten.
   
Mit der Absage des Länderspiels wurde die gesellschaftliche Verunsicherung auf die Spitze getrieben, aber nicht auf Basis von Erkenntnissen, sondern durch von Geheimdiensten erworbenen Informationen. Die stammen, wie wir schon lange wissen, oft aus fragwürdigen Quellen. Die Polizei kann diese Informationen oft gar nicht beurteilen, weil die Geheimdienste die Informationen nicht eins zu eins weitergeben. Deshalb müssen wir die Geheimdienste aus den Gefährdungsanalysen heraus halten. Es kann nicht sein, dass der Quellenschutz vor dem Opferschutz steht. Die fatalen Konsequenzen dieses Prinzips kennen wir aus dem NSU-Komplex. Da wurde auch zugelassen, dass Täter sich bewaffnen, um ihr weiteres Vorgehen dann zu beobachten, anstatt die Polizei zu informieren und eine Strafverfolgung zu ermöglichen.  

Was wäre eine angemessene Reaktion?

Die meisten der Terroristen waren französische Staatsbürger. Deswegen muss die Polizei neue Kompetenzen bekommen. Nicht mehr Personal oder noch mehr Befugnisse, sondern Kompetenten wie sie die entsprechende Szene analysieren kann: z. B. Sprach- und  interkulturelle Kompetenzen, um eine eigene Gefährdungsanalyse vorzunehmen. So wäre die Polizei nicht darauf angewiesen, was die Geheimdienste anbieten, die immer auch eigene Interessen verfolgen . Um die Sicherheitspolitik nicht im Sinne einer Kriegslogik beeinflussen zu lassen, muss die Gefährdungsanalyse der Polizei überlassen werden.

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