Den 8.Mai zum Feiertag machen

Martina Renner
NeuNSU/AntifaschismusRechtsVor Ort

Liebe Antifaschisten und Antifaschistinnen, Liebe Kameradinnen und Kameraden, Liebe Genoss*innen,

Seht es mir bitte nach, dass ich keine Expertin zum jugoslawischen Partisan*innenkampf oder zur österreichischen Innenpolitik bin. Ich will daher ein paar allgemeine Gedanken zum 8.Mai und den aktuellen Herausforderungen für uns Antifaschist*innen formulieren.

Vor drei Wochen stand ich in der Kapelle des Renaissance-Schloss Kromsdorf unweit des Ettersberg bei Weimar und wir sangen Bella Ciao. Kinder und Enkel von Überlebenden des Konzentrationslager Buchenwald, Aktive der VVN und der Lagerarbeitsgemeinschaft, die Gedenkstättenleitung, in der Erinnerungsarbeit Engagierte, Gäste wie ich, die sich an dem Projekt „1000 Buchen“ beteiligen, einer Baumpflanzung entlang der Routen der Todesmärsche im Frühjahr 1945. Und so wie Neonazis in Thüringen seit Jahren erneut massiv mit Gewalt gegen Migrant*innen, Engagierte und Linke vorgehen war es auch diesem Projekt ergangen. Unzählige Bäume wurden in den letzten Monaten gefällt. Diese Momente, als man zusammen erst das Lied der italienischen Partisan*innen und zum Abschluss das Buchenwaldlied anstimmte, waren auch deshalb so eindrücklich, weil unter uns Julia Romantschenko war. Sie ist die Enkelin von Borys Romantschenko, des ehemaligen Vize-Vorsitzenden des Internationalen Komitee Buchenwald und Mittelbau-Dora. Ich erinnere mich an ihn, er sprach 2015 den Buchenwald-Schwur bei der Befreiungsfeier auf dem Appellplatz. Borys Romantschenko starb in Charkiv am 18. März letzten Jahres. Er starb, weil eine russische Rakete sein Wohnhaus traf und in Brand setzte. Ich kann bis heute nicht verstehen, warum einige den Kompass verlieren. Es ist für uns doch klar: Unser Platz ist immer an der Seite der Verfolgten und Angegriffenen. Es ist an uns, die Unverfrorenheit des russischen Regimes, das antifaschistische Erbe als Rechtfertigung für den Krieg gegen die Ukraine zu missbrauchen, ebenso entschieden zurückweisen wie jedweden Versuch, uns davon abzubringen, auch weiterhin den Partisan*innen, den Alliierten und der Roten Armee zu danken. Gerade hier in Wien ist ein guter Ort dafür.

Uns fehlt die Zeit und mir auch manchmal die Geduld, stehen wir doch in Zeiten, da sich rechte Gewalt wie zuletzt in den 1990er Jahren oder 2015 rasant zuspitzt. Für letztes Jahr wurde in der Bundesrepublik ein Anstieg bei rassistischen Gewalttaten um 75% registriert, Flüchtlingsunterkünfte brennen erneut von Mecklenburg-Vorpommern bis Bayern. Immer mehr rechte Straftaten finden unter dem Einsatz von Waffen und Sprengstoff statt, Wehrsport, Schießtrainings, Waffen- und Sprengstofffunde - alle Indikatoren des Rechtsterror zeigen steil nach oben. Der oberste Ankläger der Bundesrepublik, der Generalbundesanwalt, hat noch nie so viele Verfahren im Bereich des Rechtsterrorismus geführt wie aktuell - und da reden wir über das Hellfeld. Aktuell umfasst das Ermittlungsverfahren gegen die sogenannten Vereinten Patrioten 64 Beschuldigte und dazu noch Dutzende Verdächtige, verfahrensrelevante Personen wie sie genannt werden. Wir sollten uns schon klar sein: Nie war die rechtsterroristische Organisierung größer, ihre Verbindung in Polizei und Bundeswehr sichtbarer, ihr gesellschaftlicher Resonanzraum so enorm. Dem Konzept eines mörderischen Rassenkrieg wird der militärisch gedachte und geplante Staatsstreich, der Umsturz an die Seite gestellt, ein neuer Typus des Rechtsterrors, der mit Sabotage, Liquidationen und Entführungen die Beseitigung, die Kapitulation staatlicher Institutionen, die Auflösung des Parlamentes und eine autoritäre Diktatur anstrebt. Unsere Herausforderung in dieser Situation als Antifaschist*innen ist dreierlei: Nicht nachzulassen in unserer Solidarität mit Opfern rassistischer, antisemitischer und antifeministischer Hetze und Gewalt, entgegenzutreten, wenn Gefahren, die von rechten Putschisten ausgehen, kleingeredet werden, es sei ja noch nix passiert oder das seinen Spinner und Rentnerterroristen. Und zuletzt sind wir es, die es leisten können, internationale Bezüge zum Beispiel auch zwischen Österreich und Deutschland herauszuarbeiten und warum vor dem Hintergrund einer nicht konsequenten Entnazifizierung und autoritär-elitärer Strukturen Armee und Polizei, ganz besonders deren Spezialeinheiten, den Glutherd des aktuellen Rechtsterrors bilden. Eines Rechtsterrors, der wenn er historisch befragt wird, sehr viel mit den Freikorps und später Faschisten zu tun hat sowie deren Vorgehen und Verbrechen. An diesem Tag wie an vielen anderen ist es an uns zu erinnern, dass der Terrorismus der Faschisten allein durch den Mut der Partisan*innen und der militärischen Niederschlagung durch die Verbündeten beendet werden konnten. Ihnen gilt unser ewiges Gedenken. Und vielleicht kann es nicht nur eine Idee bleiben den 8.Mai zum Feiertag zu machen, sondern eine gemeinsame Forderung. Damit wir dieses Datum in seine Ehren setzen, aber auch Zeit haben, zusammenzukommen, zu feiern und uns Mut zu machen, den Auftrag zu erneuern und Gewissheit zu finden, dass unser Kampf zu gewinnen ist.