Die Luft wird dünn: Strafanträge gegen Polizisten in Weimar

Quelle: Thüringische Landeszeitung/27.05.2015/Dokumentation

Es kommt wieder Bewegung in den Fall um die drei Weimarer, die vor Gericht standen, weil sie sich eine Folternacht in den Weimarer Gewahrsamszellen angeblich nur ausgedacht hätten. Ihre Verteidiger kündigten nun Strafanträge gegen die Polizeibeamten an.

Es war die Nacht auf den 20. April 2012, als ein Streifenwagen neben vier Jugendlichen hielt. In der Dunkelheit suchte die Polizei nach vier dunkel gekleideten Menschen, die randalierend durch die Stadt gezogen sind. Mit dieser Personenbeschreibung nahmen sie die Vier mit auf die Wache und steckten sie schließlich über Nacht in Einzelhaft. Es folgten Fotos ihres Körpers mit der Privatkamera eines Polizisten und Nacktdurchsuchung mit Blick in alle natürlichen Körperöffnungen. Später stellte sich heraus, dass die vier Personen keinesfalls die Gesuchten sind.

Den Polizeibeamten reichte es offensichtlich, eine kleine Gruppe junger Menschen mit dunklen Jacken gefunden zu haben. Man habe sie mit aufs Revier genommen, um Fotos für spätere Zeugenaussagen anzufertigen. Warum dort eine der Personen ohne Jacke abgelichtet wurde, konnte der zuständige Schichtleiter nicht erklären. Genauso wenig, weshalb die Fotos nicht nach Polizei-Standard erstellt worden sind, sodass sie vollkommen unbrauchbar sind. Und weshalb sie in Zellen über Nacht gesteckt wurden? Das wisse er nicht. Und die Nacktdurchsuchung? Zur eigenen Sicherheit.

Eine der vier Jugendlichen hatte nach der Nacht in der Zelle eine lange Armwunde, die von der Hand über den Ellenbogen reichte. Zu einer Begutachtung der Fotos von der Wunde und zur Befragung der Ärztin vom Weimarer Klinikum kam es nicht mehr, nachdem sich Staatsanwalt und Richter auf ein schnelles vorzeitiges Ende einigten. Heute ziert eine lange Narbe immer noch den Arm der jungen Frau, die sich sofort nach Entlassung aus den Zellen in ärztliche Behandlung begab. Zudem werfen die vier Jugendlichen den Beamten Schläge, Tritte, rassistische sowie sexistische Beleidigungen, regelmäßiges An- und Ablegen von Handschellen und die Verweigerung von Trinkwasser vor.

Den Vorwürfen gingen damals Erfurter Polizeibeamte nach, die ihre Kollegen in Weimar befragten. Die Beamten befanden ihre Kollegen für vertrauenswürdig und die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein. Im Gegenzug reagierten einzelne Polizisten mit einer Anzeige gegen drei der Jugendlichen. Deshalb saßen diese vergangen Monat nun selbst auf der Anklagebank wegen Verleumdung. Die Luft wurde für die Polizei spätestens dünn, als ein unbeteiligter junger Mann ausfindig gemacht wurde, der die Nacht ebenso in einer Weimarer Zelle verbrachte und von Gewalt berichtete.

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