Druck auf Bundesregierung wächst: In mehreren EU-Staaten steigt die Anspannung wegen der NSA/BND-Spionageaffäre

Quelle: Thüringer Landeszeitung/20.05.2015/Dokumentation

In der Affäre um die Spionage-Hilfe des Bundesnachrichtendienstes für die amerikanische NSA erhöht die Opposition den Druck auf die Bundesregierung. Linke und Grüne fordern, dass die Regierung dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss die komplette Liste mit Millionen NSA-Suchbegriffen vorlegt. Die Koalition ringt noch damit, ob und wie dem Bundestag überhaupt Einblick in die heikle Materie gewährt werden kann.

Der BND habe der NSA weit umfangreicher beim Durchsuchen der abgefangenen Daten geholfen als bekannt, sagte die Linken-Abgeordnete Martina Renner in Berlin. Allein im August 2013 seien acht bis neun Millionen NSA-Suchbegriffe beim BND im Einsatz gewesen. Bisher war nicht bekannt, wieviele sogenannte Selektoren wie IP- oder Mailadressen die Amerikaner lieferten. Abgeordnete waren von mehreren hunderttausend ausgegangen.

Die Opposition will die komplette Liste der Millionen Suchbegriffe sehen – nicht nur die Anfragen, die der BND als rechtswidrig erkannte und aussortierte. Linke und Grüne bekräftigten, dass sie vor dem Verfassungsgericht klagen wollen, sollte die Regierung den Abgeordneten die Einsicht in die Suchworte verweigern. "Wenn diese  Selektorenlisten nicht kommen, werden wir klagen", sagte der Grünen-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Konstantin von Notz.

Im Streit um die Freigabe der im Kanzleramt unter Verschluss gehaltenen Selektorenlisten erwägt die Koalition die Einsetzung eines Ermittlungsbeauftragten des Bundestages. Dieser könnte die Listen einsehen. "Das ist ein gangbarer Weg", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Grüne und Linke lehnten es strikt ab, allein einem Beauftragten Zugang zu den Suchkriterien zu geben. Ein zunächst avisiertes Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merke! (CDU) und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zum Thema fand gestern jedoch nicht statt.

Unter den Selektoren finden sich nach Angaben der Linken E-Mail-Adressen, Telefonnummern, aber auch Geräte-Kennzahlen, IP-Adressen oder Kennzahlen aus Messenger-Systemen. Der BND habe bisher nur die E-Mail-Adressen auf Verstöße gegen deutsches Recht oder die Vereinbarung der Geheimdienste geprüft, nicht aber die anderen Suchbegriffe.

Auch international sorgen die Spionageaktionen für Unmut. Peter Pilz, Grünen-Abgeordneter im Österreichischen Nationalrat, sagte in Berlin, es gebe Hinweise, dass der BND für die NSA mehrere innereuropäische Datenkabel angezapft habe unter anderem zwischen Wien und Rotterdam, Wien und Luxemburg, Salzburg und Amsterdam oder auch Wien und Stockholm. Grünen-Chef Cem Özdemir verlangte rückhaltlose Aufklärung der Vorwürfe innereuropäischer Spionage. "Das würde europäischen Werten diametral widersprechen." Die Niederlande prüfen den Vorwurf der BND-Spionage.

Deutsche Sicherheitskreise wiesen diese Vorwürfe zurück. Spionage mit Hilfe des BND und eines deutschen Telekommunikationsanbieters gegen diese Staaten lasse sich aus entsprechenden  Dokumenten nicht ableiten.