Explosive Mischung

Quelle: freitag.de/04.04.2016/Dokumentation

Unbekannte schießen am 17. August mit einer Leuchtsignalpistole auf das Asylbewerberheim im mecklenburgischen Torgelow. Am 31. Oktober werden mit einer Gasdruckpistole 18 Scheiben einer Asylunterkunft im sächsischen Döbeln zerschossen. Zwei Wochen später feuern im nordrhein-westfälischen Vlotho Unbekannte aus einem Auto heraus auf ein Asylheim und davorstehende Personen. Und drei Tage vor Silvester bedrohen zwei Männer mit Maschinenpistolen im baden-württembergischen Waghäusel Bewohner eines Flüchtlingsheims.

Das sind nur vier von insgesamt 30 bewaffneten Angriffen, die im vergangenen Jahr auf Asylunterkünfte verübt wurden. Zwar gab es bei diesen Angriffen keine Verletzten, sondern nur Sachschäden. Aber in den Sicherheitsbehörden ist man alarmiert: Die Bereitschaft unter gewalttätigen Neonazis scheint zu wachsen, mit Waffen und Sprengstoff loszuschlagen. Und die Behörden haben Schwierigkeiten, den privaten Waffenbesitz zu kontrollieren.

Tatsächlich belegt die Statistik einen dramatischen Anstieg: Von 2010 bis 2014 ist die Zahl rechtsextremer Straftaten, bei denen Waffen zum Einsatz kamen oder zur Bedrohung verwendet wurden, von 143 auf 536 gewachsen und hat sich damit fast vervierfacht. Nicht zuletzt angesichts dieser Zahlen spricht das Bundeskriminalamt (BKA) mittlerweile von einer neuen "Dynamik der rechtsextremen Straftaten".

Aber sind die deutschen Sicherheitsbehörden darauf vorbereitet? Ein Problem, das Fachleute immer wieder beklagen, sind die Informationsverluste bei der präventiven Beobachtung von länderübergreifend agierenden Nazis. Nicht nur beim Verfassungsschutz, auch bei der Polizei behindert die föderale Struktur einen auf Effizienz ausgerichteten Informationsaustausch.

Seit 2003 etwa wertet das BKA jährlich aus, welche Rolle Waffen und Sprengstoff im Bereich der "politisch motivierten Kriminalität rechts" spielen. Basis hierfür ist die Datenbank LAPOS. In ihr werden die Meldungen über Ermittlungsvorgänge der Bundesländer erfasst. Eine Berichtspflicht der Länderpolizeien besteht allerdings nur für Straftaten, in denen die Täter bewaffnet waren. Zufallsfunde von Waffen und Sprengstoff bei Hausdurchsuchungen müssen ebenso wenig angegeben werden wie die Herkunft von Waffen und Sprengstoff. Die Übermittlung von Informationen über Schießübungen deutscher Neonazis ist ebenfalls freiwillig.

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