Jetzt gilt’s: Besuch bei Thüringer Oppositionsabgeordneten

Quelle: www.thueringer-allgemeine.de/14.03.2018/Dokumentation

Mit der Kanzlerinwahl beginnt die Arbeit im Bundestag erst richtig. Ein Besuch bei Thüringer Oppositionsabgeordneten, die sich nur in ihrer Uneinigkeit einig sind.

Wenn man es freundlich betrachten will, ist der Geraer Rechtsanwalt Brandner der Krawallkarnevalist der AfD, der immer auf den nächsten Tusch hinarbeitet. Doch eigentlich meint er es ernst. Seit er vor fünf Jahren der neuen AfD beitrat, hat er sich gemeinsam mit der Partei radikalisiert. Mit ihr, das jedenfalls behauptet er, will er das System der Altparteien überwinden, das sich bei den kleinen Leuten bedient.

„Ach, Brandner!“ Martina Renner spuckt den Namen förmlich aus. Die Linke-Abgeordnete, die in ihrer zweiten Wahlperiode im Bundestag ist, sitzt in einem Café zwischen Pariser Platz und Schloss und sagt: „Ich hoffe, dass sich das Parlament nicht entblödet, diesen Initiativen der AfD eine Mehrheit zu verschaffen.“ Sie kenne genügend Kollegen, die bedauerten, Brandner zum Ausschusschef gewählt zu haben. Die Erfahrung daheim im Erfurter Landtag habe gezeigt, dass es gelte, „eine Haltelinie zur AfD“ zu ziehen.

Zum Beispiel der U-Ausschuss zum Behördenversagen im Fall des islamistischen Attentäters vom Berliner Breitscheidplatz. „Dass wir gemeinsam mit allen Fraktionen außer der AfD den Ausschuss einsetzen konnten, hat gezeigt, dass im entscheidenden Moment ein Konsens der demokratischen Parteien mögl

ich ist“, sagt sie.Und sonst? Wie kooperiert man mit den Grünen, die kürzlich noch mit Union und FDP über eine gemeinsame Regierung verhandelten? Und redet man noch mit der SPD, die nun wieder mit CDU und CSU koaliert? Ist Rot-Rot-Grün wirklich so tot, wie es die Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht behauptet?„Die Frage, ob wir noch eine Option auf Rot-Rot-Grün im Bund haben oder nicht, ändert nichts daran, dass wir wie bisher konsequente Oppositionsarbeit machen werden“, sagt Renner. Sie werde wie bisher im Innenausschuss gegen den Rechtsextremismus streiten und für eine humane Flüchtlingspolitik.

Ansonsten sei aber klar, dass der erste politische Gegner in der Regierung die Union sei, aber dass man mit den Sozialdemokraten weiterhin reden wolle. „Die Gesprächskanäle mit der SPD werden wir offenhalten“, sagt sie. Die Linke dürfte Rot-Rot-Grün, das ja in Thüringen funktioniere, im Bund nicht als Ziel aufgeben. „Nur so lässt sich ja eine Mitte-Links-Mehrheit in Deutschland organisieren.“

Katrin Göring-Eckardt (Grüne) trinkt in ihrem Büro lauwarmen Tee aus der Thermoskanne und gibt sich entspannt. „Dadurch, dass es jetzt zwei Fraktionen mehr sind, gibt es kürzere, aber temperamentvollere Debatten.“ Das Parlament, sagt sie, sei insgesamt lebendiger geworden.“

Die Linke Martina Renner sieht das ganz anders: „Ich halte die Aussagen, dass es lebendiger im Bundestag geworden ist, für Quatsch. Was ist denn daran lebendig, wenn mit NS-Sprache vom Rednerpult argumentiert wird?“

Die Kursdebatte innerhalb der Linken, sagt sie, berühre die Arbeit der Fraktion nicht. „Wir haben geschlossen in der vergangenen Wahlperiode alle Asylrechtsverschärfungen abgelehnt. Und wir werden das auch künftig tun.“

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