Kreuzzug hinter Gittern

Quelle: Neues Deutschland/17.09.2016/Dokumentation

Rund 1.500 demonstrieren in Berlin gegen Abtreibungsgegner, Rechtskonservative und religiöse Fundamentalisten.

Beim jährlichen "Marsch für das Leben" am Samstag in Berlin war diesmal einiges anders. Statt wie in der Vergangenheit direkt vor dem Kanzleramt starteten die Anhänger christlich-fundamentalistischer Gruppen ihren Zug mit den weißen Holzkreuzen diesmal von der Paul-Löwe-Allee am Reichstag aus, wo die Veranstaltung gegen 18 Uhr mit einem Abschlussgottesdienst wieder endete. Die nach Polizeiangaben 6000 Teilnehmer des "Marsches", die sich für ein generelles Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen aussprechen, waren bundesweit und teilweise aus benachbarten europäischen Ländern mit Bussen und der Bahn nach Berlin gereist.

Die Gegner des Kreuze-Marsches werfen den Veranstaltern des "Marsch für das Leben" einen Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht von Frauen über ihren eigenen Körpern und eine Nähe zu völkischen Positionen der Neuen Rechten vor.

Am Anhalter Bahnhof wohin am Vormittag ein Bündnis aus linksradikalen und antifaschistischen Gruppen zu einer queerfeministischen Gegendemonstration aufgerufen hatte, drohte der Protest zunächst buchstäblich ins Wasser zu fallen. Pünktlich zum Start hatte der Platzregen jedoch ein Einsehen. Die Regenschirme konnten zusammengeklappt werden und nach Veranstalterangaben bis zu 1500 Aktivisten zogen los in Richtung Gendarmenmarkt. Laut gerufenen Parolen gegen Gott, Staat und Patriarchat, wechselte sich ab mit Popmusik. In die Luft geschleudertes Konfetti und der bunte Rauch von Nebeltöpfen ergänzten die Protestchoreografie.

Eine weitere Gegendemonstration hatte das "Bündnis für sexuell Selbstbestimmung", ein Zusammenschluss aus Parteien, Gewerkschaften und Beratungsstellen, vom Brandenburger Tor zum Bebelplatz organisiert. An dem Protest unter dem Motto "Sexuelle Selbstbestimmung ist Menschenrecht" beteiligten sich auch prominente Politiker der LINKEN wie der Spitzenkandidat für die Wahl zum Abgeordnetenhaus, Klaus Lederer, und die Bundestagsabgeordneten Martina Renner und Halina Wawzyniak. In einer gemeinsam verabschiedeten Erklärung hatten sie den Abtreibungsgegner zuvor vorgeworfen, alle Lebensentwürfen außerhalb christlich-traditioneller Normen zu verurteilen. Die Erklärung schlägt auch einen Bogen zu den jüngsten Wahlerfolgen von Rechtspopulisten. "Der politische Aufstieg der AfD und die Kommentare einzelner AfD-Vertretern im Kontext von Schwangerschaftsabbruch und sexueller Vielfalt verdeutlichen die Gefahr, die von den selbsternannten Lebensschützern ausgeht", warnen die Unterzeichner.

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